Wirth Buergel Katja
psychology   -   research methodology
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Lärmstudie 2000. Zusammenfassung.

   Brink, R., Wirth, K., Rometsch, R., Schierz, C.
   ETH Zurich
   [database]  
  
Abstract: Im Rahmen der vom Bund (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft; Bundesamt für Gesundheit) und von privater Hand (Unique Flughafen Zürich AG) finanzierten und von der ETH Zürich (ehemaliges Institut für Hygiene und Arbeitsphysiologie) durchgeführten „Lärmstudie 2000“ wurden in den Jahren 2001-2004 die Auswirkungen von Fluglärm auf die Zürcher Bevölkerung untersucht. In zwei Bevölkerungsbefragungen wurden die Belästigung sowie deren Veränderungen im Zeitverlauf erhoben und mit der tatsächlichen Belastung der Jahre 2000 und 2003 verglichen. In einem von 2003 bis 2004 durchgeführten Feldexperiment wurden zudem die Auswirkungen von nächtlichem Fluglärm auf die subjektiv erlebte und objektiv gemessene Schlafqualität in den Nachtrandstunden (spätabends und frühmorgens) bei freiwilligen Versuchspersonen untersucht. Die Resultate vermitteln ein aktuelles und detailliertes Bild der Bedingungsfaktoren von Belästigung und Schlafbeeinträchtigung durch Tages- und Nachtfluglärm im Umfeld des Flughafens Zürich. Teil 1 - Belästigung. In den beiden Befragungen 2001 und 2003 wurden aus 57 Gemeinden um den Flughafen Zürich insgesamt über 3000 zufällig ausgewählte Personen „um ihre Mitarbeit bei der Erhebung der Fluglärmbelästigung im Raum Zürich“ gebeten. Die erste Befragung fand im August 2001 statt, also noch vor dem 11. September und dem Swissair-Grounding, die zweite im August/September 2003. Fluglärm-Belastungsdaten, die von der EMPA berechnet wurden, lagen für jede Person vor und konnten mit den Antworten in Fragebogen und in Telephoninterviews verglichen werden. Die Auswertung dieser Daten zeigte, dass zwischen effektiver Fluglärm-Belastung und der empfundenen Belästigung ein geringerer direkter Zusammenhang besteht als erwartet. Der Fluglärm-Mittelungspegel am Wohnort der Befragten ist nur zu etwa 15% an der Entstehung des Belästigungsurteils beteiligt. Dies bedeutet, dass weitere, nicht-akustische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. So zeigte sich, dass die vermutete Entwicklung der Lärmbelastung, die umweltpolitische Einstellung, das Vertrauen in die Behörden und die Zufriedenheit mit dem Wohnort das persönliche Belästigungsurteil massgeblich mitbeeinflussen. Wenn nicht-akustische Faktoren einen Einfluss auf das Ausmass der Lärmbelästigung ausüben, bedeutet dies auch, dass sich hier ein Ansatz für nicht-akustische „Lärmbekämpfung“ abzeichnet, z.B. in Form vertrauensbildender Massnahmen seitens Flughäfen und/oder Behörden. Die Befragungen haben ergeben, dass die Gesamtbelästigung durch Fluglärm in erster Linie anhand der Geräuschkulisse vor dem eigenen Haus beurteilt wird und nicht so sehr danach, wie sich die Lärmsituation im Hausinneren präsentiert. Ein Zusammenhang zwischen Belästigung und der Wohndauer am Wohnort konnte nicht nachgewiesen werden. Die Belästigung durch Fluglärm hat zwischen 2001 und 2003 in Folge des wirtschaftlich bedingten Rückgangs der Flugbewegungen insgesamt etwas abgenommen. Im Vergleich der Jahre 2001 und 2003 konnten sog. Überschuss-Reaktionen bei Anwohnern im Osten festgestellt werden: Flughafenanwohnerinnen und -anwohner, die durch die neuen Ostanflüge zusätzlich mit Fluglärm belastet wurden, reagierten bei gleicher Lärmmenge wesentlich stärker belästigt als „Fluglärm erfahrene“ Personen im Norden oder Westen des Flughafens. Teil 2 - Schlafqualität. Trotz 6-stündigem Nachtflugverbot am Flughafen Zürich ist ein Teil der Bevölkerung durch Fluglärm in den sog. Nachtrandstunden auch im Schlaf betroffen, denn über 80% der Bevölkerung gehen vor Beginn des Nachtflugverbotes um Mitternacht zu Bett und stehen erst nach dessen Ende (06:00 Uhr) auf. Die Auswirkungen des Fluglärms spätabends und frühmorgens wurden im zweiten Teil der Studie mit einem grossangelegten Feldexperiment untersucht. In diesem Experiment wurden bei 60 freiwilligen Versuchspersonen in einem Zeitraum von je 30 aufeinanderfolgenden Nächten während der Einschlaf- oder Aufwachphase im Schlafzimmer zu Hause Fluggeräusche mit einem Lautsprecher simuliert. Nebst der Nachtzeit (abends oder morgens) wurde in diesem Experiment die Anzahl der eingespielten Überflüge (keine, 8 oder 16) und der Maximalschallpegel (50 oder 60 dB(A)) der einzelnen Fluglärmereignisse variiert. Dabei wurden einerseits objektive Schlafqualitätsparameter wie Herzfrequenz oder Bewegungsaktivität gemessen, zum anderen anhand von „Befindlichkeitstagebüchern“ eine subjektive Einschätzung des Schlafes, bzw. der Schlafqualität erhoben. Die Resultate zeigen, dass die Belästigung durch Fluglärm während der Nacht sowohl mit zunehmendem Maximalpegel als auch mit zunehmender Häufigkeit der Fluggeräusche zunimmt. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Stärke des Zusammenhangs zwischen Lärmbelastung und Schlafbeeinträchtigung wesentlich davon abhängt, ob Fluggeräusche am morgen oder am abend simuliert wurden. Fluglärm in den Morgenstunden wurde im Rückblick als deutlich lästiger empfunden als Fluglärm zu Beginn der Nacht bzw. zu Beginn des Nachtschlafes. Auch die schlafphysiologischen Untersuchungen zeigen ein ähnliches zeitliches Muster, wobei aufgezeigt werden kann, dass sich die Schlafqualität durch eine alleinige Reduktion der Anzahl Flüge frühmorgens insgesamt nicht notwendigerweise verbessert: Das erste frühmorgendliche Fluggeräusch führte im Mittel zu den stärksten körperlichen Reaktionen, die mit jedem weiteren Geräusch geringer wurden. Nebst dem Maximalschallpegel erweist sich für die Prognose von Aufwachreaktionen die „Schnelligkeit“ der Pegelveränderung eines Fluggeräusches als ebenso wichtiger Faktor: Schnelle Änderungen des Lärmpegels, so wie sie etwa von einem landenden Flugzeug unmittelbar unterhalb einer Anflugschneise verursacht werden, hatten bei gleichem Maximalpegel schwerwiegendere Auswirkungen auf den Schlaf zur Folge als Fluggeräusche mit flacherem Pegelverlauf. Die Störwirkung eines einzelnen Überfluges hängt also auch von dessen Geräuschstruktur ab. Die in der Feldstudie untersuchten Personen reagierten individuell sehr unterschiedlich auf den simulierten Lärm. Dies gilt sowohl für die Belästigung als auch auf physiologischer Ebene. Das Belästigungsempfinden hängt beispielsweise stark mit der Lärmempfindlichkeit oder der umweltpolitischen Einstellung einer Person zusammen. Dies unterstreicht die Bedeutung von subjektiven Einflussgrössen in der Lärmwirkungsforschung.
  
Type: report